Der Windows-Aktenkoffer, ein Relikt aus früheren Windows-Versionen, fungierte in der Ära vor allgegenwärtigen Internetverbindungen als eine Art Vorläufer von Cloud-Speicherdiensten wie Dropbox. Er wurde mit Windows 95 eingeführt und existierte bis Windows 7, bevor er in Windows 8 als veraltet markiert und in Windows 10 vollständig entfernt wurde.
Der Kern des Aktenkoffers: Dateisynchronisierung
Viele ältere Nutzer erinnern sich vielleicht an das Symbol „Eigene Dateien“ auf ihren Desktop-PCs, selbst wenn sie den Windows-Aktenkoffer nie aktiv genutzt haben. Seine eigentliche Bestimmung war es, die Synchronisation von Dateien in einer Zeit zu vereinfachen, als stabile und schnelle Internetverbindungen noch nicht selbstverständlich waren. Man konnte ihn beispielsweise nutzen, um wichtige Arbeitsdateien auf einer Diskette mit nach Hause zu nehmen oder um Dateien zwischen dem Firmennetzwerk und einem Laptop zu synchronisieren, bevor man die Verbindung trennte.
Anders als beim bloßen Kopieren von Dateien, was über einfaches Kopieren und Einfügen möglich ist, lag der Fokus des Aktenkoffers auf der Synchronisation. Wenn man eine Kopie der Datei im Aktenkoffer bearbeitete, konnte diese später mit dem Original am ursprünglichen Speicherort abgeglichen werden. Änderte sich die Originaldatei, ließen sich die Kopien im Aktenkoffer ebenfalls mit den aktuellen Versionen synchronisieren.
Die Funktionsweise des Aktenkoffers
Die Nutzung des Aktenkoffers erfolgte im Wesentlichen in folgenden Schritten:
Zunächst wurde der Aktenkoffer auf einem tragbaren Medium abgelegt. Das konnte ein Laptop sein oder, im Falle eines Desktop-PCs, eine Diskette, die man mitnehmen konnte.
Man konnte den Aktenkoffer entweder vom Desktop auf die Diskette verschieben oder über einen Rechtsklick in einen beliebigen Ordner unter „Neu > Aktenkoffer“ erstellen.
Anschließend wurden alle relevanten Dateien, die man transportieren wollte, in den Aktenkoffer gezogen. Das konnten wichtige Dokumente vom Netzwerkserver des Arbeitsplatzes oder Dateien vom lokalen Desktop-PC sein. Auch ganze Ordner ließen sich so synchronisieren.
Nachdem man den Laptop vom Netzwerk getrennt oder die Diskette entfernt hatte, enthielt der Aktenkoffer Kopien aller eingefügten Dateien. Diese konnten offline bearbeitet werden. Der Aktenkoffer selbst verhielt sich dabei wie jeder andere Ordner. Man konnte Dateien direkt daraus öffnen und speichern.
Später, wieder am Arbeitsplatz, wurde der Laptop erneut mit dem Netzwerk verbunden oder die Diskette in den Desktop-PC eingelegt. Um Änderungen zu synchronisieren, öffnete man den Aktenkoffer und klickte auf „Alle aktualisieren“. Alle Veränderungen wurden damit synchronisiert: Bearbeitete Dateien wurden an ihren ursprünglichen Speicherort zurückgespielt und Änderungen der Originaldateien aktualisierten die Kopien im Aktenkoffer. Es gab auch die Option, nur ausgewählte Dateien zu aktualisieren, und bei allen Synchronisationsvorgängen wurde der Nutzer aufgefordert, die zu aktualisierenden Dateien auszuwählen, um Fehler zu vermeiden.
Anders als bei Dropbox war die Synchronisation des Aktenkoffers auf einen einzigen Speicherort beschränkt. Es war nicht möglich, Dateien auf verschiedenen PCs zu synchronisieren. Man sollte daher nur mit den Dateien im Aktenkoffer arbeiten und nicht versuchen, diese anderweitig zu synchronisieren.
Das Schicksal des Aktenkoffers
Der Aktenkoffer war zu seiner Einführung in Windows 95 eine nützliche Funktion, verlor aber im Laufe der Zeit immer mehr an Bedeutung. Trotzdem war er noch in Windows XP, Windows Vista und Windows 7 enthalten. In Windows 8 wurde er als „veraltet“ markiert und in der ursprünglichen Version von Windows 10 war er deaktiviert, ließ sich aber über eine versteckte Registry-Einstellung aktivieren. Mit dem Creators Update wurde er schließlich vollständig entfernt.
Die zunehmende Verbreitung des Internets hat dem Aktenkoffer letztlich die Grundlage entzogen. Dank der weitverbreiteten Verfügbarkeit von schnellen Internetverbindungen ist es meist nicht mehr notwendig, Offline-Kopien von Dateien aufzubewahren und zu synchronisieren. Selbst auf Netzwerk-Dateifreigaben kann man per VPN von überall aus zugreifen.
Dienste wie Dropbox, Microsoft OneDrive und Google Drive haben den Aktenkoffer vollständig ersetzt. Diese Dienste synchronisieren ebenfalls Kopien von Dateien zwischen verschiedenen Computern. Auch offline sind die Dateien verfügbar und werden automatisch synchronisiert, sobald man wieder online ist.
Im Gegensatz zum Aktenkoffer ermöglichen diese Dienste die Synchronisation von Dateien auf mehreren Geräten und automatisieren den gesamten Synchronisationsprozess, ohne dass manuelle Eingriffe erforderlich sind. Der Windows-Aktenkoffer ist daher ein Relikt der Vergangenheit.